Eine Hausarbeit über die Entstehung und Konzeption des Raums der Stille
Erstellt am März 19, 2011
Quelle: http://raumderstille.wordpress.com/2011/03/19/raum-der-stille-an-der-universitat-hamburg/
Raum der Stille an der Universität Hamburg
Wir
wussten, dass es einen Raum der Stille an der Universität Hamburg gibt,
jedoch nicht, an welcher Stelle er sich befand. So begaben wir uns auf
die Suche und fanden ihn schließlich auch. Um mehr über diesen Raum zu
verfahren als auf den ersten Blick zu erkennen war, wand ich mich an den
katholischen Hochschulpfarrer Pater Thomas Ferenčik.
Da es für den Raum kein schriftliches Konzept gibt, sind das Interview,
das ich mit Pater Thomas Ferenčik geführt habe, und einige
Zeitungsartikel die Informationsquellen, auf die ich die folgende
Beschreibung der Entstehung und Entwicklung dieses Raums stützen werde.
Zunächst
werde ich auf die Frage eingehen, warum dieser so genannte
„interreligiöse Raum der Stille“ an der Universität entstanden ist und
wie er sich bis heute entwickelt hat.
Zunächst bildete sich als
Reaktion auf den 11. September 2001 an der Universität der
interreligiöse Dialogkreis „Touch of Civilisation“ („ToC“), dessen
Teilnehmer aus der islamischen (IHG), der evangelischen (ESG) und der katholischen Hochschulgemeinde (KHG)
sowie aus der Baha’i Gemeinde, dem Buddhistischen Zentrum und dem
Tibetischen Zentrum kamen. Dieser Dialogkreis hatte zum Ziel,
„unterschiedlichen Sichtweisen der verschiedenen Religionen Raum [zu]
geben […] und den Meinungsaustausch wie auch das Verständnis zwischen
den Religionen [zu] fördern […].“(1) Auf Initiative des „ToC“ wurde ein
Raum der Stille gegründet, um einen Ort zu schaffen, an dem dieser
Austausch stattfinden konnte. Da der damalige Leiter der ESG einen guten
Kontakt zu den Erziehungswissenschaften pflegte, wurde dort ein Raum
bereitgestellt, in dem sich der Dialogkreis treffen konnte. 2004 wurde
der Bereich der Erziehungswissenschaften saniert und in dem Zuge musste
der Raum wieder abgegeben werden. Ab dem Zeitpunkt waren der „ToC“ und
davon ausgehend vor allem die islamische, die katholische und die
evangelische Hochschulgemeinde auf der Suche nach einem neuen Raum. Nach
einiger Zeit wurde ihnen ein Raum, in dem sich bis dahin zwei Büros
befanden, von der Universität angeboten.
Dieser Raum wurde
entkernt und neu gestaltet. 2006 wurde dann ein Nutzungsvertrag mit dem
Universitätspräsident Dr. Dr. h.c. Jürgen Lüthje geschlossen. Darin
wurde festgehalten, dass die Universität für die Behebung aller
technischen Mängel und der „ToC“ für die Innengestaltung und die
Sauberkeit verantwortlich sind. Zurzeit sind Pater Thomas Ferenčik, der
Hochschulpfarrer der KHG und die Vertreter der IHG dafür zuständig.
Nach
dem Abschluss des Nutzungsvertrags vergingen noch ein paar Jahre bis
die offizielle Eröffnung des bis heute bestehenden „interreligiösen
Raums der Stille“ im Juni 2009 gefeiert wurde. Nach unserer obigen
Kategorisierung bedeutet „interreligiöser Raum der Stille“, dass es
keine festen Symbole gibt, um eine Gleichberechtigung der verschiedenen
Religionen zu ermöglichen. Auch in diesem Raum gibt es keine festen
Symbole, wobei es bei der Einrichtung des Raums mehrere Überlegungen
gab, wie der Raum gestaltet werden könnte. Dabei wurde unter anderem
überlegt, ob Symbole fest in den Raum integriert werden sollen.
Diese
Überlegung wurde jedoch verworfen, da festgestellt wurde, dass dadurch
mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einige Religionen nicht berücksichtigt
würden. Eine andere Überlegung war, einzelne Nischen für die
verschiedenen Religionen zu schaffen, was jedoch unter anderem aus
Platzgründen nicht realisiert wurde. Letztendlich wurde sich dann dafür
entschieden, keine festen Symbole aufzunehmen, um den dialogischen
Charakter als ein Ganzes zu unterstützen. Durch den Raum als ein Ganzes
soll auch das Miteinander gefördert werden. Das passiert beispielsweise,
wenn Angehörige verschiedener Religionen nebeneinander beten. Dadurch,
dass es keine zugewiesenen Nischen gibt und jeder in diesem Raum an
einem unbestimmten Platz betet, kommt nach Pater Thomas Ferenčiks
Erfahrung ein Gemeinschaftsgefühl auf. Um bestimmte Symbole bei Bedarf
nutzen zu können befindet sich in dem Raum ein Schrank, in dem diese
aufbewahrt werden können. Außerdem gibt es eine verstellbare Trennwand,
Sitzkissen und -hocker, ein Schuhregal und ein Waschbecken. In einem
offenen Regal stehen einige Bücher, wie der Koran, eine Bibel und ein
Buch über die Lebensgeschichte Mohammeds. Außerdem befindet sich dort
noch eine Mappe, in der verschiedene Gebete der Weltreligionen enthalten
sind. Zusätzlich gibt es noch das Angebot, in einem Buch Eindrücke und
Gedanken aufzuschreiben. Der ganze Raum ist mit Teppich ausgelegt, die
Wände sind in Gelb-und Orangetönen gestrichen und auch die Fenster sind
durch orange-gelbe Folien abgeklebt, sodass man von Blicken von draußen
geschützt ist.
Im Raum selbst hängt an der Wand ein Schreiben, in dem
man begrüßt wird und in dem auch die Absicht des Raums deutlich gemacht
wird:
„Der Raum der Stille soll zur Besinnung einladen. Er steht
Menschen aller Religionen, Bekenntnisse und Weltanschauungen zur
Verfügung. Der Raum der Stille soll ein Ort sein, an dem Studierende
beten, meditieren und zur Ruhe kommen können. Durch die Nutzung der aus
verschiedenen Kulturen und Religionen stammenden Studierenden bekommt
der Raum der Stille den Charakter eines interreligiösen Zentrums auf dem
Campus.“ (2)
Als Information hängt in dem Raum der Stille eine Liste
mit den regelmäßigen Terminen, die dort während der Vorlesungszeit
stattfinden. Dienstags findet eine ökumenische Mittagsandacht statt und
um 17.30 Uhr findet von der IHG das sogenannte „Hadith“ statt.
Mittwochmittag findet eine Meditation in der Tradition des
Zen-Buddhismus statt und Donnerstagmittag findet eine Gebetsstunde der
SMD (Studentenmission Deutschland) statt. Am Freitag findet abschließend
das Freitagsgebet von der IHG statt. Insgesamt ist das Bestreben der
Verantwortlichen jedoch, die festen Termine gering zu halten, um den
Raum möglichst zu jeder Zeit für jeden zugänglich zu machen.
Herauszuheben ist dazu, dass der Raum regelhaft von 8 Uhr bis 21 Uhr
geöffnet von Montag bis Samstag geöffnet ist. Nutzungsbedingungen für
den Raum gibt es nur sehr wenige. Dazu gehört jedoch, dass die Schuhe
ausgezogen werden, dass kein Eis gegessen werden darf und dass kein Müll
hinterlassen werden soll. Das steht alles in der Schrift, in der der
„ToC“ die Besucher begrüßt. Pater Thomas Ferenčik meinte, dass davon
ausgegangen wird, dass alle sich gegenseitig mit Achtung begegnen, da es
ein „interreligiöser“ Raum der Stille sei. Außerdem sagt der Name des
Raums schon, dass man sich ruhig zu verhalten hat, da dieser Raum auch
von der Stille getragen wird.
Wie frequentiert der Raum ist, kann
nicht genau gesagt werden, aber er wird regelmäßig genutzt und die
Anzahl der Personen beläuft sich auf bis zu 30 Personen beim
Freitagsgebet. In Bezug auf die Frage, ob der Raum zum Dialog zwischen
den Religionen beiträgt, antwortete Pater Thomas Ferenčik, dass sich die
Ausrichtung seit dem Bestreben nach dem 11. September 2001 verändert
hat. Anfangs lag der Schwerpunkt eindeutig auf dem Dialog und dem
Austausch über verschiedene interreligiöse Themen. Bis vor ca. 4 Jahren
waren die Studenten, die sich 2001 im „ToC“ engagiert haben, noch aktiv.
Heute sind jedoch von der ursprünglichen Gruppe keiner mehr im „ToC“
und das Bestreben in den Dialog zu treten ist zurückgegangen. Deshalb
finden zurzeit keine Veranstaltungen mehr statt, die auf den Dialog
ausgerichtet sind. Insgesamt ist auch die Beteiligung der verschiedenen
religiösen Gruppen zurückgegangen und so bringen sich nur noch die IHG
und KHG aktiv bei der Gestaltung des Raums ein. Somit ist die
ursprüngliche Intention, die zu der Gründung geführt hat, in den
Hintergrund getreten und durch eine neue ersetzt worden. Im Moment wird
der Dialog zwar wenig gefördert, jedoch wird deutlich, dass der Raum von
denen gestaltet wird, die ihn auch nutzen. So bleibt jedem die
Möglichkeit offen, sich bei der Gestaltung des Raums zu engagieren und
eigene Veranstaltungen anzubieten oder zu initiieren. Sobald also das
Bedürfnis nach einem Dialog wieder stärker wird, könnten auch
dementsprechende Veranstaltungen wieder angeboten werden.
In dem
„Gästebuch“ lässt sich durch die Rückmeldung der Besucher erkennen, dass
sie froh darüber sind, dass es an der Uni so einen Raum gibt. Jedoch
kann die Frage gestellt werden, inwieweit so ein Raum der Stille an
einer Universität, die eine nicht-religiöse Institution darstellt,
notwendig ist und legitimiert werden kann. Karl-Josef Kuschel hat einige
Punkte angeführt, in denen er die Legitimation und die Notwenigkeit
solcher Räume in nicht-religiösen Institutionen deutlich macht. (3) Im
Folgenden werde ich überprüfen, ob diese Gründe auch auf den Raum der
Stille an der Universität Hamburg bezogen werden können. An
Universitäten gibt es sehr viele verschiedene Menschen mit verschiedenen
Kulturen und Religionen auch unterstützt durch Programme wie „Erasmus“
und Bachelor und Master. Diese Menschen begegnen sich, arbeiten
miteinander und tauschen sich aus. Damit ist eine erste Voraussetzung
nach Kuschel für die Entstehung eines multireligiösen Raums gegeben. (4)
Dadurch, dass viele Studenten schon die Erfahrung gemacht haben selbst
in einem anderen Land und in einer fremden Kultur zu leben, steigt der
Respekt und die Achtung vor anderen Glaubensüberzeugungen und mit diesem
Respekt und den unterschiedlichen Kulturen, die sich an der Universität
befinden, steigt das Bedürfnis nach dem Recht der freien
Religionsausübung. Erst mit diesem Bedürfnis wird auch das Bestreben
nach einem einzigen, ungeteilten Andachtsraum stark. Eine weitere
Voraussetzung für einen interreligiösen Raum der Stille besteht darin,
den „Anderen“ bzw. die „andere“ Religion als eine Möglichkeit ansieht
die Präsenz des Spirituellen zu erfahren.
Innerhalb einer
nicht-religiösen Institution wie der Universität stellt einen Raum der
Stille ein besonderer Raum dar. So meinte Pater Thomas Ferenčik, dass er
die Universität als eine Art „Kleinstadt“ ansieht, die ein spirituelles
Zentrum benötigt. Das setzt schon voraus, dass die Universität ein Ort
ist, an dem man einen Teil seines Lebens verbringt und somit wird ein
Raum benötigt, in dem man sich zurückziehen kann, in dem man Ruhe
findet, meditieren und beten kann, was Kuschel als Legitimation für
einen multireligiösen Raum der Stille ansieht.
Anders als bei einem
universal religiösen Raum der Stille werden in dem interreligiösen Raum
der Stille in Hamburg keine Symbole verwandt, die von allen Religionen
gleichermaßen verstanden werden, sondern jeder Besucher hat die
Möglichkeit seiner Religion entsprechend Symbole nach Bedarf zu
verwenden und zu nutzen.
Mir persönlich erscheint der Raum der Stille
an der Universität Hamburg eine sinnvolle Einrichtung zu sein, wobei
ich mir noch ein vermehrtes Angebot an Veranstaltungen für den Dialog
wünschen würde.
1 http://www.khg-hamburg.de/Programm_der_KHG_Hamburg.pdf S.23
2 vgl. Anhang 2: Begrüßungszettel des „ToC“.
3 vgl, Kuschel (2010): S. 10.
4 vgl. Kuschel (2010): S. 10.